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21.12.2022

Hinter den Kulissen von Geschichte Kloster Muri

Es sind über 15 Jahre vergangen seit den ersten Schritten zu einer neuen Aufarbeitung der Geschichte des Klosters Muri, und vor 11 Jahres wurde dafür eine Stiftung gegründet. Ein Gespräch mit dem Lenkungsausschuss über Meilensteine, nächste Schritte und die Verortung dieses Projekts in der Fachwelt.

 

Der seit 2015 bestehende Lenkungsausschuss der Stiftung Geschichte Kloster Muri ist zuständig für alle operativen Fragen, eine Fachkommission beurteilt die wissenschaftliche Qualität aller Texte. Um die Ergebnisse des Projekts laufend öffentlich zu machen, hat der Lenkungsausschuss zwei Publikationsreihen und weitere Kommunikationsformate ins Leben gerufen. Bis auf die Projektleitung arbeiten die Mitglieder ehrenamtlich.

 

Was sind die Ziele von Geschichte Kloster Muri bis zum 1000-Jahr-Jubiläum 2027? Was wurde geschafft und was liegt noch vor Ihnen?

JR: Hauptziel ist die Neue Klostergeschichte, die 2027 in vier Bänden vorliegen soll. Doch um diese in Angriff zu nehmen, mussten erst Grundlagen geschaffen werden. Noch bevor das Projekt startete, waren 2005 bereits der Handschriftenkatalog der mittelalterlichen Handschriften der Klöster Hermetschwil und Muri herausgegeben worden, dem folgte 2008 die Edition der Acta Murensia, einer Handschrift aus Muri, die zu den wichtigsten erzählenden Quellen des deutschschweizerischen Hochmittelalters gehört. Im Projekt begannen dann umfassende Erschliessungsarbeiten in den Archiven an allen Standorten, ferner die Katalogisierung und Digitalisierung von Handschriften, die Arbeit an Nachschlagewerken wie dem Professbuch sowie Forschungsarbeiten, teilweise Dissertationen, zu ausgewählten Themen.

TM: Ja, bisher haben wir vor allem an diesen Grundlagen gearbeitet. Das letzte Grundlagenprojekt, die Inventarisierung der Kulturgüter, läuft noch bis im Sommer 2023. Doch nun haben wir die ersten Schritte zum Hauptziel gemacht: Autorinnen und Autoren haben mit ihrer Arbeit an der neuen Klostergeschichte begonnen.

Was macht das Projekt Geschichte Kloster Muri in der Fachwelt besonders? Was ist anders als bei anderen Projekten und warum?

TM: Dass ein Kloster mehrere Standorte in verschiedenen Kantonen und Ländern hat, ist sicher aussergewöhnlich. Diese Konstellation eröffnet interessante Fragestellungen. Ungewöhnlich ist aber auch die vergleichsweise lange Dauer des Projekts und die Grösse des Teams, das aus 35 Autorinnen und Autoren besteht.

JR: Genau, das Projekt hat dadurch auch enorme Dimensionen angenommen. Aufarbeitung fand so nicht nur regional, sondern transregional, gar transnational statt. Das macht dieses Projekt aber auch spannend, da diese Stränge zusammengebracht werden und Personen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen und geografischen Kontexten zusammenarbeiten.

MR: Das eigentlich Spezielle, vielleicht auch Paradoxe an dieser Klostergeschichte ist wohl das: Man schreibt Geschichte über ein Kloster, das an seinem ursprünglichen Ort nicht mehr vorhanden ist und nun an anderen Standorten weiterlebt. Das Engagement und die Verbundenheit sind aber an jenem Ort am stärksten, wo das Kloster staatsrechtlich aufgehoben wurde, kirchenrechtlich aber noch immer existiert.

MA: Ich stimme zu, da ist eine tiefe Verbundenheit des Klosters zum Ursprungsort Muri, die von Teilen der Bevölkerung hier getragen wird.

PH: Dies ist auch für den Aargau wohl einzigartig, an anderen Standorten von Klöstern im Kanton findet diese Art von Engagement weniger statt.

Warum ist die Erforschung der Geschichte eines Klosters heute noch relevant?

MR: Klöster befinden sich in einer Zeit voller Umbrüche. Viele Klöster stehen wegen des demografischen Drucks vor einer Aufhebung und überlegen sich, was sie als letzte Aufgaben noch erledigen möchten. Dazu gehört in vielen Fällen auch die Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Heute geschieht dies aber unter anderen Blickwinkeln, als dies bei der früher oft vorherrschenden klosterinternen Geschichtsschreibung der Fall gewesen ist. Heute arbeiten daran oft externe Personen auf wissenschaftlicher Basis. Faszinierend und spannend sind Klöster für viele deshalb, weil es sich hier um eine alternative Lebensform handelt.

MA: Auch im Kloster Muri-Gries hat dieses Umdenken stattgefunden: Hatte Martin Kiem [Klosterchronist aus dem 19. Jahrhundert] noch geschrieben, er schreibe für seine Mitbrüder, war es Abt Benno Malfèr, der sagte, dies genügt nicht mehr.

Würden Sie etwas anders machen, wenn Sie jetzt nochmals beginnen würden?

JR: Wir hatten als Lenkungsausschuss eine Lernkurve vor uns, die wir zu meistern hatten, ein Projekt dieser Dimension zu strukturieren und zu organisieren, und die vorhandenen Ressourcen und Projektziele auf der Zeitachse miteinander in Einklang zu bringen.

TM: Grundsätzlich können wir feststellen, dass es im Projekt nun rund läuft. Insbesondere die Zusammenarbeit im Lenkungsausschuss klappt sehr gut. Aber ja, rückblickend hätte man das Projekt wohl von Beginn an in Struktur und Organisation etwas besser aufstellen können.

Was erwarten Sie für 2027 und an was werden Sie sich gerne erinnern aus ihrer Zeit im Projekt?

MA: Ich erhoffe mir Impulse für den Aargau und die Region Freiamt, dass die Menschen hier mehr über ihre Geschichte erfahren, sich mit dieser Geschichte identifizieren und dies dazu führt, dass sie sich mehr vor Ort engagieren.

PH: Mir werden die Begegnungen mit interessanten Menschen in Erinnerung bleiben. Natürlich durfte ich in all den Jahren auch mein Wissen um unser Kloster und dessen Geschichte enorm erweitern und habe viel gelernt. Im Zentrum aber stehen die Menschen, so auch im Projekt 2027. Und natürlich freue ich mich auf die Resultate, wenn die vier Bände auf dem Tisch liegen!

MR: Ich schliesse mich an und bin gespannt auf unsere Publikationen. Nicht zuletzt habe ich schon jetzt gute Erinnerungen an unsere Arbeit im Lenkungsausschuss und freue mich auf das, was noch vor uns liegt.

 

Zum Lenkungsausschuss gehören:

Martin Allemann (MA): Stiftungsrat, ab 2023 Geschäftsführer der Stiftung Geschichte Kloster Muri.

Peter Hägler (PH): bereitete den Weg von der Idee einer Aufarbeitung der Klostergeschichte bis zur Gründung der Stiftung Geschichte Kloster Muri 2011 und war bis 2022 deren Geschäftsführer.

Thomas Meier (TM): promovierter Historiker, Projektleiter Geschichte Kloster Muri, im Lenkungsausschuss seit 2015.

Jeannette Rauschert (JR): promovierte Historikerin und Staatsarchivarin Basel-Land, Leitung des Lenkungsausschusses seit 2015, Mitglied der Fachkommission 2011–2015.

Markus Ries (MR): Professor für Kirchengeschichte, Universität Luzern, im Lenkungsausschuss seit 2015, Mitglied der Fachkommission 2011–2015.