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30.04.2023

Runde Erinnerungsjahre im Kloster Hermetschwil

1083, 1843, 1893, 1913, 1943, 1973: In der Chronik des Klosters Hermetschwil stechen die runden Geburtstage dieses Jahr besonders ins Auge. Eine Reise durch die Geschichte des Konvents mit Abstechern nach Deutschland und Italien.

 

 

1083: vor 940 Jahren die Gründung von Hermetschwil

Erstmals von geistlichen Frauen in Muri ist die Rede im Jahr 1083: Damals kamen Nonnen ins Männerkloster – fortan war es als Doppelkloster eine Lebensoption für Töchter des habsburgischen Ministerialadels, später der städtischen Oberschicht. Ende des 12. Jahrhunderts verlegten die Mönche von Muri das Frauenkloster nach Hermetschwil. Die Nonnen erhielten Grundbesitz, den sie bald selbst verwalteten. Der Abt von Muri blieb Ordinarius und hatte die Seelsorge zu gewährleisten und zudem das Recht zur Visitation und zur Ernennung der Meisterin, der Vorsteherin des Konvents.

 

1843: vor 180 Jahren die Wiederherstellung

Nachdem 1841 die Klöster im Aargau aufgehoben worden waren, fand ein Grossteil der Nonnen von Hermetschwil Zuflucht bei den Benediktinerinnen von St. Andreas in Sarnen. Zwei Jahre später schon kam es zu einem politischen Kompromiss: Die Frauenklöster im Aargau durften weiterexistieren. Hermetschwils Nonnen kehrten zurück, doch bereits in den 1860er-Jahren kippte die Stimmung im Kanton wieder. Sollte das Kloster erneut schliessen? Vorsorglich liess Klosterchronist P. Martin Kiem von Muri Gries mittelalterliche Handschriften aus Hermetschwil zu den Patres nach Sarnen bringen, um sie vor dem Zugriff des Staats zu schützen. 1876, auf dem Höhepunkt des Kulturkampfs, war es so weit: Die verbliebenen Klöster im Aargau wurden ein zweites Mal aufgehoben. Die Nonnen von Hermetschwil blieben aber weiterhin vor Ort. Private kauften die Klostergebäude und liessen die Hermetschwiler Schwestern darin wohnen. Der «Klosterartikel» Nummer 52 in der Bundesverfassung von 1874 verbat jedoch eine erneute Eröffnung aufgehobener Klöstern.

 

1893: vor 130 Jahren die erste Profess in Habsthal

Da die Nonnen in Hermetschwil keine Novizinnen aufnehmen durften und das Klosterleben eingeschränkt war, brauchte es eine neue Lösung an einem anderen Standort. Ein geeignetes Klostergebäude fanden sie im baden-württembergischen Habsthal bei Sigmaringen. 1892 zogen erste Nonnen ein, 1893 legte dort die erste Novizin ihr Gelübde ab. Fortan war Habsthal auch Sitz der Äbtissin, während in Hermetschwil ab 1909 eine Priorin die Gemeinschaft leitete.

Das frühe benediktinische Leben in Habsthal ist auch Gegenstand der Forschungen von Historikerin Silvia Hess für die Neue Klostergeschichte Muri. «Einer meiner schönsten Funde waren aufwändig gestaltete Fotoalben aus Habsthal.» Die Fotografien dokumentieren die Tätigkeiten der Klosterfrauen bei der Ernte sowie die weitgehenden Eigenleistungen in Renovations- und Umbauarbeiten in den Klostergebäuden, etwa beim Dachdecken. «Der Konvent transferierte das handwerkliche Knowhow auch in Ämter, so gab es um 1950 in Habsthal nicht nur eine ‹Obstschwester›, sondern auch eine ‹Schreinerschwester›», erklärt Hess.

 

1913: vor 110 Jahren die Gründung von Siebeneich

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Situation in Deutschland und der Schweiz weiterhin unsicher. Also entschieden sich die Nonnen von Hermetschwil-Habsthal zu einer weiteren Standortgründung in Südtirol. Nur unweit des Männerklosters Gries erwarben die Benediktinerinnen ein Anwesen in Siebeneich. Unter diesem Namen gründeten die Frauen 1913 ein unabhängiges Priorat und besiedelten es mit Nonnen.

Das Südtirol wurde nach 1918 zu Italien geschlagen. Der Faschismus setzte den Klöstern zu und bewog den Konvent, den Standort bereits 1925 wieder aufzugeben. Über die Geschichte der Neugründungen berichten die Hauschroniken von Habsthal und Siebeneich. «Das sind spannende Quellen, die über viele Ausbauschritte und Rückschläge berichten», sagt Silvia Hess.

 

1943: vor 80 Jahren unter dem NS-Regime

In den Archiven lagert auch Material aus den harten Zeiten des Klosters Habsthal unter dem NS-Regime. «1935 verhörten die Nazis die Äbtissin im Rahmen der sogenannten ‹Devisenprozesse›», sagt Hess. In den «Devisenprozessen» von 1935/36 griff Propagandaminister Joseph Goebbels das Ansehen der Orden an, denn durch die neu erlassenen Devisengesetze konnten die transnationalen Orden leicht des Devisenschmuggels beschuldigt werden. Fünf Jahre später musste das Kloster seine Haushaltsschule auf Druck des Regimes schliessen. Im August 1944 wurde das Kloster von der Wehrmacht besetzt: «Die Nonnen mussten für acht Monate die beiden unteren Stockwerke räumen und für die Angehörigen der Wehrmacht kochen, waschen und nähen», weiss Hess. Jüngere Schwestern hatten in auswärtigen Betrieben zu arbeiten.

Das Kloster Habsthal erholte sich nach dem Krieg wieder und schaffte es, die Finanzen zu sanieren. Sr. Margarita Schlüe übernahm auf Anfrage der Gemeinde Habsthal das Amt der Ratsschreiberin für den Bürgermeister von Habsthal. «Dieses Amt konnte sie nur übernehmen, weil sie wahlberechtigt war», sagt Hess. «Im Kloster wurde ein Amtszimmer eingerichtet, wofür die Klausurregeln angepasst wurden», sagt Hess.

 

1973: vor 50 Jahren die Aufhebung des Klosterartikels

1973 schaffte die Schweizer Stimmbevölkerung den Klosterartikel ab. Damit wurde der Grundstein dafür gelegt, dass in Hermetschwil wieder offiziell klösterliches Leben stattfinden durfte. Doch prekär war der seit der Aufhebung vernachlässigte Unterhalt der Klostergebäude. «Durch die beiden Weltkriege war der Konvent arg gebeutelt, die Finanzen knapp», sagt Äbtissin Angelika Streule rückblickend. «Als ich 1973 ins Kloster Hermetschwil eintrat, mussten wir bei Regen Eimer auf dem Dachboden platzieren, denn das Dach war undicht.» Die Schwestern suchten nach weiteren Möglichkeiten, neben der Hostienbäckerei und Paramentenstickerei Geld zu verdienen. So übernahmen sie ab 1974 für 20 Jahre den Telefondienst für die Feuerwehr der Regionen Bremgarten und Wohlen. «Wir hüteten die Nummer 118 jeden Tag während 24 Stunden», erinnert sich Äbtissin Angelika Streule. «Wir waren dazu verpflichtet, innert drei Minuten die Feuerwehr aufzubieten.»

Nach und nach konnten die Klostergebäude renoviert und die bauliche Substanz gesichert werden. 1985 wurde auch der Sitz der Äbtissin wieder ins Mutterkloster nach Hermetschwil verlegt.